Samstag, 12. Mai 2007

Tag 06 / Paddel Diplomatie


(DR) Auch heute gibt es über den Tag nicht allzu viel zu berichten. Auch heute haben wir Sonne, Ruhe und weitere Abschnitte der Lektüre getankt. Der mittlerweile obligatorische Besuch unseres neuen Freunds Peter führte zu einer erneuten Einladung zum Essen. Es gab ein einheimisches Fleischgericht dessen Namen unmöglich zu merken und noch unmöglicher zu schreiben wäre, hätte ich es mir denn gemerkt.



Es war nicht zu verhindern weiter Einblicke ins Leben der Bierfee zu erlangen. Darunter eine Geschichte aus der Kindheit, wo eine im Urlaub verstorbene Oma, um die Überführung zu vereinfachen, ins Zelt gewickelt in en Kofferraum „gebettet“ wurde. Doch die letzte Fahrt führte für die Oma ins Ungewisse, denn auf einer Raststätte wurde das Auto samt toter Oma gestohlen. Weder das eine noch das andere wurde je wieder gesichtet. Des Weiteren konnten wir fürs Leben auch wieder einiges lernen.



(DP)Wenn man in eine Situation gerät, die durch eine eigene Fehlhandlung verursacht wurde, ist es am geschicktesten, die gegnerische Partei, also diejenige, der ein Unrecht zugefügt wurde, durch Beleidigung und Körperverletzung von dem Schaden, der entstanden ist, abzulenken. Das habe ich heute vom Peter gelernt. Er hat diese Erfahrung gemacht, als er mit seinem Bummelkutter eine Boje durch unsachgemäßes Navigieren in Ufernähe mitgerissen und damit das Eigentum eines ansässigen slowenischen Campers beschädigt hat.

Als besagter Slowene erzürnt dem Boot hinterher schwamm und sich ungeachtet des laufenden Motors an die Boje, die sich unglücklicherweise am Außenmotor verfangen hatte herannäherte, wurde der Peter, dem das Missgeschick erst zu diesem Zeitpunkt aufgefallen ist, sehr wütend. Der Slowene forderte Ersatz, der Peter beschimpfte ihn. Warum sollte er ihm auch die Boje ersetzen, wenn der bescheuerte Slowene in selbstmörderischer Absicht fast vom Motor zerfleddert wird, so Peter. Peter beschimpfte den älteren Herren weiterhin als Mumie weil dies eine völlig legale Bezeichnung für einen Menschen eines bestimmten Alters sei. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, haute der Peter der Mumie mit seinem Paddel noch eins rüber.



Der Slowene wollte sich jedoch damit nicht zufrieden geben und betrachtete die Situation im Gegensatz zu Peter noch nicht als erledigt. An einem weiteren Tag konfrontierte er also den Peter auf trockenem Boden und forderte ein neues Seil für jenes, das bei Peterchen’s Seefahrt gerissen war. Darauf war der Peter so nett, einzulenken und bot ihm an, eine Gardinenschnur vorbeizubringen, an der sich der Slowene dann erhängen möge. Dank Peter’s diplomatischem Geschick forderte der Beschädigte ab diesem Zeitpunkt keinerlei Wiedergutmachung mehr.



(DR) Ich habe mal irgendwo aufgeschnappt, dass es eine Redewendung unter Indianern ist, dass, wenn man zu schnell reist, es eine Weile dauert bis die Seele nachkommt. Nicht dass ich an so etwas wie eine „Seele“ glauben würde, aber irgendwo steckt da eine kleine Wahrheit darin.

Es hat vermutlich damit zu tun, dass man sich auf eine neue Umgebung erst einstellen muss bevor diese ihre Wirkung entfalten kann. Jedenfalls habe ich heute den Eindruck, dass ich nun angekommen bin. Und es ist schon ein eigenartiges, aber wohliges Gefühl wenn man von „Bedeutung“ nur so überfüllt wird. Keiner der Gedanken, die mir gerade durch den kopf schwirren hat eine besondere Bedeutung, und doch fühlt sich alles bedeutsam an. Ich lausche meiner Musik, seh durchs Meer, durch die Erde ins Weltall und denke an die Zukunft und meine verstorbene Katze. Ich will niemanden damit nerven wie das wohl zusammenhängt, aber in bedeutungsschwangeren Momenten passt so einiges, was sonst nicht den Anschein macht, etwas miteinander zu tun zu haben.

Aber Bedeutung ist an sich ein Thema. Im Grunde kann nichts wirklich inhärent Bedeutung haben, Dingen oder Umständen werden Bedeutungen gegeben wie man Orten Namen gibt. Und wir sind förmlich süchtig danach. Einer mag Bedeutung in der Kraft, die das Universum zusammen oder auseinander hält finden, ein anderer in der Liebe zu seinen Kindern, zu Gott oder der künstlerischen Arbeit. Aber die Motivation ist dieselbe. Unfähig etwas unbewertet zu betrachten teilen wir die Welt in die Kontraste, die es uns ermöglichen zu fühlen. So wie an sich namenlose Orte erst auf unserer Karte auftauchen wenn man ihnen einen Namen gegeben hat.

Michael Ende hat in der Unendlichen Geschichte schon das „Namen geben“ als das entdeckt, was Dinge wirklich macht. Und ich glaube mit Gefühlen ist es ganz ähnlich. Etwas bedeutsam zu erachten ist letztlich nur das Herausheben aus dem Medium der Dinge, die wir nicht wahrnehmen wollen oder können. Wie sonst sollten wir hier und dort, oben und unten, Gut und Böse voneinander unterscheiden. Aber diese Wahl ist letztlich willkürlich. Ich denke es ist gut, sich von Zeit zu Zeit daran zu erinnern, dass das, was einem bedeutsam scheint nur ein Name auf der eigenen emotionalen Karte ist, und sich diese ohne Absprache nicht notwendigerweise mit der der anderen decken muss. Und alles was ich gerade gedacht und geschrieben habe ist nicht viel mehr als der Unterschied zwischen einer leeren Seite und einer beschriebenen.


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